Religion fasziniert und interessiert mich seit meiner Kindheit und das in ihren ganz verschiedenen Ausprägungen. Als Kind mochte ich Kirchen und Tempel, war begeistert von der Liturgie katholischer aber auch evangelischer Gottesdienste und von der schriftlichen Tradition, die sich in Büchern wie dem Pentateuch, dem Tanach, der Bibel oder dem Koran finden lässt.
Irgendwann beschloss ich, diese Faszination neben meinem Beruf zu einer Berufung zu machen und studierte sie an der Universität in Erfurt (Religionswissenschaft und Sozialwissenschaften), an der University of York in Thessaloniki, Griechenland, (Migration Studies) und an der Universität Tartu, in Estland (Ecotheology in Orthodox Church).
Für meine Bachelor-Arbeit widmete ich mich einem ganz neuen Thema, einer Pionier-Aufgabe. Ich setzte mich mit einer neuen religiösen Bewegung auseinander, deren Urspung in der Antike – in Griechenland und Rom – liegt und die bis heute aber noch großen Zulauf erfährt. Im Folgenden will ich dieser Bewegung, dem Hellenismos, einen gewissen Raum geben und sie erläutern.
Eine antike Religion wird wiederbelebt
Hellenismos, eine faszinierende und immer noch praktizierte antike Religion, erlebt im digitalen Zeitalter eine Renaissance. Diese Neubelebung ist nicht nur ein kulturelles Phänomen, sondern auch ein Ausdruck tief verwurzelter Glaubenssysteme, die ihre Wurzeln in der antiken griechischen Mythologie haben.
Die Ursprünge des Hellenismos reichen bis in die Minoische Zeit auf Kreta zurück, als die Kultur der Minoer die Bronzezeit-Gemeinschaften formte. Diese frühe Form der Religion war stark beeinflusst von Glaubenssystemen des Nahen Ostens. Im Laufe der Zeit entwickelte sich die griechische Religion, gekennzeichnet durch ein Pantheon von Göttern, die als die Olympier bekannt sind, darunter Zeus, Hera, Athene, Poseidon, Hermes, Apollon, Dionysos, Hephaistos, Ares, Aphrodite, Demeter und Artemis.
Die griechische Religion war tief in der Gesellschaft verwurzelt, wobei heilige Orte wie Haine, Tempel und natürliche Stätten wie Bäume und Quellen eine zentrale Rolle bei der Verehrung der Gottheiten spielten. Diese Orte dienten als temporäre Wohnsitze für die jeweiligen Gottheiten, an denen Opfer dargebracht und um Unterstützung bei individuellen oder kollektiven Herausforderungen gebeten wurde.
Rituale als Kommunikation mit den Göttern
Die Kommunikation mit den Göttern erfolgte durch Rituale, die oft Opferungen und Libationen beinhalteten. Diese Rituale dienten dazu, Raum und Zeit zu ordnen, Beziehungen zwischen Menschen und Göttern zu regeln und den Menschen ihre Rolle in der Welt zuzuweisen.
Im 19. Jahrhundert erlebte die griechische Mythologie und Religion durch die romantische Bewegung eine Wiederbelebung. Figuren wie Thomas Taylor, ein britischer Schriftsteller und Übersetzer, trugen wesentlich zur Neuinterpretation und Verbreitung der antiken griechischen Philosophie und Religion bei.
A ritual is a sequence of actions performed on behalf of an individual or a community that serve to order space and time, regulate the relationships between people and gods, and assign their place to human categories and the relationships that connect them.
Eine Internet-Religion
In den 1990er Jahren begann das Internet, eine zentrale Rolle bei der Verbreitung und Organisation des modernen Hellenismos zu spielen. Gemeinschaften wie der Supreme Council of the Followers of Hellenic Religion (YSEE) und Thiasos Austriakos entstanden und wurden über Websites und soziale Medien gefördert. Diese Online-Plattformen ermöglichten es Anhängern des Hellenismos, sich zu vernetzen und Informationen auszutauschen.
Heutige Praktizierende des Hellenismos stützen sich auf antike Quellen und Werke zeitgenössischer Autoren, um die Grundlagen, Praktiken und Philosophie des Hellenismos zu verstehen. Bücher wie "A Beginner's Guide to Hellenismos" und "Hellenismos – Practicing Greek Polytheism Today" bieten Einblicke in die Basisregeln und Ausübungsformen dieser Religion.
Ein zentrales Element des Hellenismos ist der lunare Kalender, der für die zeitliche Festlegung religiöser Rituale und Feste von entscheidender Bedeutung ist. Diese Orientierung am Mondkalender ist ein grundlegendes Merkmal für die kontinuierliche Praxis ihrer Kulte, obwohl dies im Widerspruch zu historischen Beweisen steht, die darauf hinweisen, dass fast jede griechische Region, jede Polis und jedes Dorf einen eigenen Kalender hatte.
Diese faszinierende Religion zeigt, wie alte Glaubenssysteme und Praktiken im modernen Kontext weiterleben und sich anpassen können, unterstützt durch digitale Medien und eine weltweite Gemeinschaft von Anhängern.