Buchkritik
Wie lässt es sich am besten sagen, wenn ein Mensch aus dem Leben scheidet? Den Kuss des Todes spüren? Das Zeitliche segnen? Zur ewigen Ruhe eingehen? Die Begriffe, die unsere Sprache dafür kennt, sie scheinen nahezu unendlich zu sein.
Autorin Katharina von der Gathen und Grafikerin Anke Kuhl haben sich für eine eher spaßige Übersetzung entschieden: Sie mögen die Radieschen von unten ansehen – wobei Radieschen auch durch allerhand anderes Grünzeugs ersetzt werden kann.
Sterbekultur statt Schweigekultur
Mit ihrem aktuellen Buch wagen sich die beiden an ein Thema, das für viele Erwachsene alles andere als leicht ist – und bereiten es auch noch kindgerecht auf. Das Sterben ist in der mitteleuropäischen Kultur des 21. Jahrhunderts in eine kleine gesellschaftliche Ecke gedrängt. Sich immer weiter entwickelnde Medizin und die zunehmende Anonymisierung der urbaner werdenden Welt machen es möglich, dass der Tod uns in immer weniger Ausnahmesituationen begegnet.
Was auf den ersten Blick wie eine ganz angenehme Erscheinung wirkt, ist auf den zweiten Blick eine mittlere Katastrophe. Schließlich gehört der Tod ebenso zum Leben wie die Trauer als solche. Die Verweigerung der Auseinandersetzung damit sorgt aber oft nur für noch mehr Trauer. Katharina von der Gathen und Anke Kuhl wissen um dieses Thema und greifen es schon in ihrem "Wörtchen vorneweg" auf. Sie betonen, dass es nicht nur ein Buch über das Sterben und den Tod sei, sondern vor allem über das Leben selbst. Und so verwundert es nicht, dass die 155 Seiten des querformatigen Buches farbenfroh, warmherzig anmuten.
Bestatter und Pastorin berichten
Die einfühlsamen Texte der Autorin bringen all jene, die sich zur Auseinandersetzung mit Tod und Sterben trauen, in die Gegenwart aller, bei denen das Thema zum Beruf gehört. Egal, ob Bestatter Martin erzählt, wie er mit Totenstarre umgeht oder Pfarrerin Cäcilie berichtet, wie sie eine Trauerrede schreibt: Der Leser ist ganz nah dran am Geschehen und an den Menschen.
Die Zeichnungen Anke Kuhls, Trägerin des Deutschen Jugendliteraturpreises, geben diesen persönlichen Texten aber noch einmal eine ganz besondere Individualität und ergänzen sie auf eine ungewohnte Weise. Wer über Tote schreibt, der schreibt über Skelette, und wer Tote zeichnet, zeichnet diese. Die Binsenweisheit trifft in gewisser Weise auch auf die Comics der "Radieschen von unten" zu. Gut 20 Mal taucht ein, meist fröhlich blickendes, Skelett in dem Kinderbuch auf. Doch es wechselt sich ab: Mit liebevoll gezeichneten, ebenfalls verstorbenen, Haustieren, mit trauernden Kindern und sehr oft auch mit Comicfiguren, die alles andere als traurig sind.
Mit diesem Schlagabtausch aus Interviews, einfach geschriebenen, aber wirklich aufschlussreichen Sachtexten und den liebevoll gezeichneten Illustrationen schafft "Radieschen von unten" mehr, als es eigentlich will: Heißt es im Untertitel, dass es ein "buntes Buch über den Tod für neugierige Kinder" sei, so ist es eigentlich ein Aufklärungsbuch für alle Altersklassen. Schließlich ist davon auszugehen, dass auch nur wenige Erwachsene von der unglaublichen Lebensspanne des Grönlandhais (rund 400 Jahre) wissen oder sich eingehend mit Bildern und Symbolen für den Tod – vom Vampir bis zum Todesengel Azrael – beschäftigt haben. Damit gelingt auf den angenehm-dicken Papierseiten des Buches etwas, was in seiner Umfänglichkeit und Detailliertheit herausstechend ist: Die Kombination von Wissen und Optik. Denn das Auge nimmt nicht nur mit Abschied, wie Bestatter Martin in seinem Interview betont, es liest selbstverständlich auch mit.